Herleiten

Meistens ist es bei uns so, dass ich etwas früher aufstehe als der Prinz und ihn dann wecke, wenn ich meinen ersten Kaffee getrunken habe (also dann, wenn ich fähig bin, simple Gedanken zu denken und meine Lautäußerungen sich über das Grunz-Niveau angehoben haben).

Manchmal hat er aber auch Termine, für die er früher aufstehen muss oder er kann etwas länger schlafen. Ich frage also meist abends: „Wann soll ich dich wecken?“

Ich bekomme dann gerne so aufschlussreiche Antworten wie „Ich muss um viertel nach neun in Groß-Umstadt sein.“ Oder: „Um acht habe ich einen Termin in Unterschönmattenwaag.“

Ja nee, ist klar – weiß ja jeder, wo das ist und wie lange man dahin fährt und dann kann man sich die Weckzeit ja selber ausrechnen.

Ich gucke ihn dann nur an und sage: „Wann – willst – du – geweckt – werden?“

„Ach“, grinst er dann, „ich muss mir das doch selber erstmal herleiten.“

Uah – herleiten. Erinnert mich gruseligst an Matheklausuren. „Leiten Sie her und beweisen Sie.“ *schüttel*

:-))

Wir kaufen ein GPS: Der Mann. Die Frau.

Die Frau liest in einem Blog von spannenden und unterhaltsamen Geocaching-Touren. Denkt: Mensch, das wäre was für uns. Cool.

Die Frau erzählt dem Mann davon, den die Idee in Begeisterung versetzt.

„Wir können uns ja mal im Outdoor-Laden beraten lassen, was es alles an GPS-Geräten gibt“, sagt der Mann.

„Ja, prima“, sagt die Frau. „Das machen wir.“

Ab hier laufen zwei völlig verschiedene Filme:

Die Frau

Die Frau speichert im Gehirn-Ordner Am Wochenende noch erledigen die Notiz ab: „Mal im Internet vorinformieren, was es für Modelle gibt und was die kosten“.

Der Mann

Der Mann setzt sich sofort an den Computer, recherchiert fieberhaft und weiß nach 20 Minuten, welche GPS-Modelle was können und kosten. Sein Roter Knopf Technisches Spielzeug, blinkt und hat viele Knöpfe ist gedrückt, sein Adrenalinspiegel steigt.

Die Frau

Die Frau schlägt vor, zu IKEA zu fahren, weil sie unbedingt Mandeltorte essen muss noch Sachen für ihr Arbeitszimmer braucht.

Der Mann

Der Mann ist einverstanden und erwähnt beiläufig, man könne doch gleich auch den nebenan liegenden Outdoor-Laden zwecks einer Beratung zu GPS-Geräten aufsuchen.

Die Frau

Die Frau nickt abwesend und marschiert nach der Mandeltorte dem Einkauf mit in den Outdoor-Laden, der nicht nur keine GPS-Geräte hat, sondern auch einen lausigen Umgang mit Kunden bietet.

Der Mann

Der Mann ist stinkig und fragt an, ob man vielleicht „noch eben schnell“ in die Stadt reinfahren und im großen, professionellen Outdoor-Laden nach GPS gucken könnte. Seine Augen glitzern verdächtig.

Die Frau

Die Frau nimmt das verdächtige Glitzern in den Augen des Mannes wahr und argwöhnt, dass der Rote Knopf Technisches Spielzeug, blinkt und hat viele Knöpfe beim Mann gedrückt ist. Sie weiß, dass er in diesem Zustand ein Zombie ist und nickt ergeben, während sie heimlich in sich hineingrinst.

Der Mann

Der Mann fährt sofort wieder zu guter, gleichsam übersprühender Laune auf. In dem Outdoor-Laden gibt es einen Verkäufer, der mit  bezauberndem österreichischem Dialekt eine wirklich gute und detaillierte Beratung bietet.

Die Frau

Die Frau weiß anhand der Fragen, die der Mann stellt, sofort, dass der Mann eine geraume Zeit mit Informationssammlung im Internet verbracht haben muss. Dennoch ist sie beeindruckt von den komplett unverständlichen Details, die der Mann mit dem Verkäufer austauscht. Sie ahnt schon, was kommt, und fügt sich in das Unvermeidliche. (Heimliches Grinsen, siehe oben.)

Der Mann

Der Mann dreht sich nach einer halben Stunde, in der er völlig vergessen hat, dass da auch noch eine Frau in seiner Begleitung ist, zu derselben um, hält ihr ein GPS hin und sagt strahlend: „Ich nehm das hier, was meinst du, Schatz?“

Die Frau

Die Frau hat sich in der Zwischenzeit in die Reisebücher vertieft und was Faszinierendes gefunden: „Wo es keinen Arzt gibt„. Sie liest gerade, wie man in der Wildnis durch Fliegeneier hervorgerufene Blindheit behandelt und sagt: „Ja, super, Schatz. Mach das“, wohl wissend, dass die Modellfrage für sie völlig unerheblich ist, wenn das Ding nur vernünftig läuft.

Der Mann

Der Mann kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und setzt sich noch in Jacke an den Computer, um das GPS einzunorden.

Die Frau

Die Frau geht erstmal duschen und macht sich was zu essen, während aus dem Büro Brunftschreie wie „Boah!“ und „Ey, das ist so geil!“ dringen. Sie weiß, dass sie in spätestens einer Stunde die wirklich wichtigen Informationen und sehr viele unwichtige Informationen auf dem Silbertablett serviert bekommt.

Der Mann

Der Mann breitet nach einer Stunde, die die Frau mit Duschen, Essen und dem Beantworten von Mails verbracht hat, eine Wanderkarte des Donnersberg-Gebietes, das GPS mit allem mitgelieferten Papierkram, ein Lineal und einen Taschenrechner auf dem Tisch aus und beginnt mit Affengeschwindigkeit zu dozieren.

Die Frau

Die Frau bremst den Mann liebevoll auf ein normales Tempo runter und weiß nach 20 Minuten, wie sie mit Lineal und dem Geocaching-Koordinatensystem der Karte Zielorte bestimmen kann. Außerdem weiß sie, wo im Internet das Programm zu finden ist, das nautische Daten in GPS-Daten umrechnet. Sie weiß, wie sie mit dem GPS und der Karte durch den Wald laufen muss, um den Cache zu finden.

Der Mann

Der Mann bietet freiwillig an, am Sonntag ganz früh aufzustehen, damit man gleich losziehen und den Cache finden kann. Und da sind noch zwei, drei, vier Caches in der Nähe, ist ja alles praktisch auf einem Weg, die kann man ja gleich auch…

Die Frau

Die Frau denkt sich schon, dass das beim ersten Mal sowieso alles viel mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als der Mann sich das so vorstellt und sagt „Klar, Schatz, können wir machen.“

Der Samstag

Die Suche nimmt viel mehr Zeit in Anspruch, als der Mann sich das so vorgestellt hat. Die Frau und der Mann schaffen einen Cache, haben aber einen Höllenspaß und freuen sich auf das nächste Mal.