So. Ich bin, sozusagen, „wieder da“. Ich bin, etwas mehr als zwei Jahre nach dem Hallamati, wieder an meinem Arbeitsplatz, ich bin recht mobil ( E-Rolli, Busfahren, Laufen), habe gelernt, geduldig zu sein, habe gelernt, wieviel Kraft in mir steckt, von der ich vorher nichts wusste, habe eine ganz neue Art von Mut, Zuversicht und innerer Ruhe gewonnen. Es war eine schlimme Zeit, zum Teil auch sehr hart – aber: ich möchte sie nicht missen. Diese Zeit hat mir viel gegeben. Der Hallamati hat mir einiges genommen, aber im Grunde, wenn ich genau hinsehe, hat er mir mehr geschenkt als genommen. Erkenntnisse. Neue Fähigkeiten. Zum Beispiel: Dass ich Mitleid empfinden kann mit den beiden Menschen, deren Neid und Missgunst all diese Ereignisse in Gang gesetzt haben. Ich kann heute die Angst sehen, in der sie gehandelt haben. Die panische Angst, zu kurz zu kommen im Leben. Dass ihnen jemand (ich) etwas wegnehmen könnte. Ich kann diese Menschen heute mit Mitgefühl und Nachsicht ansehen, vor allem die Frau, die in ihrer Eifersucht auf meine Praxis ihren Mann so lange aufstachelte, bis er entnervt klein beigab und nach einer Möglichkeit suchte, wie er mir Schaden zufügen konnte. (Was allerdings nicht klappte, da die Staatsanwaltschaft in 20 Minuten herausgefunden hatte, woher die anonymen Mails stammten und ich von da ab alle Angriffe schon im Voraus abblocken konnte.) Wenn die Frau mir heute begegnet (auf der Straße oder bei einer Veranstaltung im Dorf), tut sie immer sehr hektisch ganz furchtbar beschäftigt, so dass sie mich vor „lauter lauter“ nicht sehen muss. (Ich kann warten… Karma wird da schon eingreifen, da bin ich sicher. *grins*)
Also, kurz: ich bin wieder da – und schaue mich um und sehe: Drei meiner Freundinnen sind nicht mehr da. Seltsam, weil ich gerade diese unter “enge“ Freundschaft“ eingestuft hatte. Ich nenne sie hier mal einfach Freundin Eins, Zwei und Drei.
Bei Eins war es Anfangs am Schwersten für mich. Ich verstand ihr Schweigen nicht – und fragte letztlich eine gemeinsame Freundin um Rat. Diese wunderbare Frau (*Knuuutsch* – du weißt, dass du gemeint bist : – )) erklärte mir Folgendes: Die Gehirnblutung fiel bei mir in den Zeitraum, in dem Eins sich von ihrem Mann trennte (das wusste ich nicht mehr; vieles, was vor dem Koma war, ist heute für mich nur noch undeutlich in Erinnerung). Sie hat heute eine neue Beziehung und hat sich ihr eigenes Unternehmen aufgebaut – kurz: Sie ist in ihrem neuen Leben angekommen und legt ihr altes Leben Stück für Stück ab. Und zu diesem alten Leben, so erklärte mir die wundervolle Freundin, gehören eben auch wir… denn auch zu ihr hat Eins den Kontakt aufgegeben. Das steht ihr zu. Die wundervolle Freundin erklärte mir das mit dem Bild von Gleisen, die eine Weile parallel laufen und von denen eines dann abbiegt. Das kann man nicht parallel halten, ohne es zu verbiegen. Bingo! Fand ich eine gute Erklärung, mit der ich auch sehr gut leben kann.
Was Zwei betrifft, so weiß ich von ihr, dass sie aufgrund sehr schlimmer Erlebnisse in ihrer Kindheit und Jugend mit den Themen Krankheit und Tod (dem war ich ja ziemlich nahe) nicht umgehen kann. Da schützt sich ihr Unterbewusstsein sofort, indem es einfach die inneren Rolläden zumacht. Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die diese Geschichte kennen, daher bin ich ihr auch nicht böse, sondern verstehe sie. Ich vermisse lediglich, wie bei Eins, die guten gemeinsamen Zeiten. Ich habe unseren gemeinsamen Freund, den herzliebsten Herrn Norden, um Rat gefragt. Er verglich das Leben mit einer langen Wanderung, bei der einige Menschen über gewisse Strecken mit einem zusammen wandern. Irgendwann gabeln sich die Wege allerdings wieder. Das habe nichts mit einem selbst zu tun, meinte der herzliebste Herr Norden – man solle das auch nicht übelnehmen, sondern sich über das gemeinsam erlebte Wegstück freuen. Genauso sagte es auch die wundervolle Freundin: „schön, dass es gewesen ist – was die Zukunft bringt, weiß man nicht.“ So bin ich auch mit Drei verblieben, mit der ich zwar kurz Kontakt hatte, die aber darauf besteht, dass ich zu ihr in ihren gut 50 Kilometer entfernten, mitten in der pfälzischen Pampa gelegenen Wohnort komme. Ich habe ihr erklärt, dass ich kein Auto mehr besitze ( habe es dem Prinzensohn überlassen) und nicht alleine zu ihr kommen kann – zu weit, zu kompliziert für jemanden mit Behinderung. Sie bezeichnete mich daraufhin als zickig und aggressiv (echtjetztma– Worms ist in Bezug auf Barrierefreiheit wirklich der letzte Heuler ; – )) Und derPrinz ist arbeitstechnisch gerade in ein Riesenprojekt als Leiter eingebunden und kann mich nicht ständig rumfahren. (Ich laufe mit diesen Argumenten leider ins Leere.)
Da ging tatsächlich – zu meiner Ungläubigkeit – ein kindergartenhaftes Aufrechnen los, wer wann wie oft bei wem war – „jetzt bist du aber dran! – und ich habe beschlossen, dass das jetzt wohl eine Weggabelung oder ein abbiegendes Gleis sein soll. Wirklich: Ich langweile mich nie zu Hause, wie ich im letzten Beitrag schrub, Besuche sind mir herzlich willkommen – aber ich möchte gern, dass mich Menschen besuchen oder was mit mir unternehmen, weil sie mit mir zusammen sein wollen, nicht weil sie sich verpflichtet fühlen. DAS verstehe ich unter Freundschaft, nicht, das, was Facebook als „Freunde“ bezeichnet. Ich habe als Kind Prinz Eisenherz gelesen und die Artussage, ich habe von „Freundschaft“ eine andere Vorstellung als viele andere. Mein Anspruch ist da, ehrlich gesagt, entsprechend höher ; – )
Also, liebe Eins, Zwei und Drei: Ich danke euch von Herzen für die schönen Zeiten, die wir miteinander hatten, das Lachen, das Vertrauen, die Zuneigung. Ich werde euch nie vergessen. Ihr werdet immer ein schöner, liebevoller Teil meiner Vergangenheit sein. Aber jetzt möchte ich mich den Menschen zuwenden, die in meiner Notsituation für mich da sind ( die alten und die neuen, die mit anpacken, ganz selbstverständlich, ohne viele Worte). Ciao! Und ich wende mich jetzt meiner Gesundung und meinen Zukunftsplänen zu!
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