Ein kleines special für Renata 😀
Kürzlich hatte ich diesen Bericht angekündigt, darlings; eine Zeit lang hat sich Pippi nebenan im Hof selbst eingesperrt und uns damit halb verrückt gemacht:
Das Häuschen, das gleich neben unserem steht, gehört noch zum ursprünglichen alten Häuserbestand des Dorfes. Es ist ein süßes rotes Backsteinhäuschen mit gemütlicher, heimeliger Ausstrahlung. Die alte Dame, die darin wohnte, starb vor etwa drei Jahren. Wir hatten eine gute Beziehung zu ihr. Im Dorf nannte man sie nur bei ihrem Vornamen, also „die Klara“, oder, im hiesigen Dialekt, „es Klärche“.
Seit sie tot ist, steht das Haus leer. Die Erbengemeinschaft besteht aus einer Gruppe von fünf Geschwistern (Klaras Nichten und Neffen, sie hatte keine eigenen Kinder), die aber nicht alle hier im Dorf leben. Die fünf können sich nicht so recht einigen, was sie mit dem Haus anfangen wollen, zumal es durch und durch feucht ist und das Dach erneuert werden muß. (Ich hatte mal kurz überlegt, es mir als Praxis einzurichten, aber in einem feuchten Altbau hatte ich schon 2006 meine erste Praxis hier, und das hatte zu viele Nachteile, auch für die Klienten, so daß ich froh war, als ich ins Herrnsheimer Schloß umziehen konnte. Zudem ist das Haus sehr winzig, also eher uninteressant für meine verrückten Ideen 😉 ) Der Grundriß sieht dort drüben aus wie bei uns: Kommt man durchs Tor, liegt rechts das Wohnhaus, das die rechte Längsseite des schlauchförmigen Hofes bildet. Bei uns ist die linke Längsseite der frühere Kuhstall (heute Werkstatt), beim Klärche ist das die Rückseite unseres Hauses. Die hinteren Stirnseiten beider Höfe bilden Gebäude, hinter denen Land liegt. Bei uns ist das die Scheune, durch die man in den riesigen Garten unserer Vermieter gelangt. Beim Klärche ist es ein alter Schuppen, hinter dem ein großes Stück Grasland liegt, das hin und wieder als Pferdeweide verpachtet ist. Unser Hof ist unzugänglich, da durch die verschlossene Scheune hinten und das hohe Tor vorn geschützt, aber beim „Klärche-Haus“ kann eine Katze wohl problemlos von hinten durch die Wiesen über das Dach des alten Schuppens in den nachbarlichen Hof kraxeln. Das schaffte bereits im Juni auch unser neugieriges Pippikind. Der Prinz und ich kamen spätabends von einer Vernissage zurück, als wir hinter dem Hoftor an Klärchens Haus ein energisches „EO! EO!“ hörten. Das war eindeutig Pippilein, die um Hilfe rief. Unter dem Tor hindurchschlüpfen konnte sie nicht, wie bei unserem Tor, da ist kein Platz. Um das Haus kümmern sich zwei Schwestern, die in der Nähe wohnen. Das sind E., die mir öfter selbst gekochte Marmelade und Gelees bringt, und C., mit der mich eine herzliche Zuneigung verbindet.
Es war uns ein Rätsel, wie Pippi in den Hof gelangt sein konnte. Ich nahm an, daß C. im Haus gewesen war und Pippi versehentlich im Hof eingeschlossen hatte (das Pippikind ist sehr scheu, sie hatte sich wohl gut versteckt gehalten.) An diesem Abend mochte ich C. nicht so spät noch anrufen, sprach also dem Pippilein durch das Tor Trost zu (im Fahrrad-Unterstand ist sie geschützt) und ging besorgt schlafen. Der nächste Tag war ein Samstag. Gleich nach dem Frühstück rief ich C. an und schilderte ihr die eingesperrte Pippi. C. lachte und sagte nur: „Ich komm‘“. Sie war zwei Minuten später mit dem Fahrrad da und schloß das Tor auf. Heraus schoß ein erleichtertes Pippilein, das bei C.s Anblick vor Schreck fast wieder zurück in den Hof geflitzt wäre – nicht, daß C. so ein schlimmer Mensch wäre – im Gegenteil! -, aber Pippi vermutet bei jedem fremden Menschen, sie könne gleich gefressen werden 😃 Ich war ebenso heilfroh wie mein Pippikind, daß sie wieder zuhause war. C. wehrte meinen Dank erstaunt ab – wie schon erwähnt, ist Nachbarschaftshilfe hier im Dorf eine Selbstverständlichkeit. Nun, das Pippilein war wieder da. Nur flitzte sie am Abend, als wir mit Herrn Sonntag zum Abend-Gassigang den Hof verließen, wieder raus. *seufz* Und richtig: Als wir zurückkehrten, kamen aus dem Nachbarhof die bekannten Rufe. Am nächsten Morgen rief ich C. an, die lachend kurz darauf klingelte. Der Prinz kam dazu, und wir untersuchten zu dritt den Hof, um herauszufinden, wie Pippi da hineingelangen konnte. Der kleine Schuppen zeigte sich als einzige Möglichkeit. Er ist niedrig genug, daß eine Katze von der Rückseite aufs Dach gelangen und vorne in den Hof hinunterspringen kann. Nur: das Dach steht etwas vor, also kann die Katze nicht wieder hinauf… C. schlug vor, Pippi ein Brett an das Dach zu legen, über das sie hinauflaufen könne. Der Prinz fand eins in unserem Hof. Leider ist es aber so dünn, daß es sich durchbiegt und federt, wenn es belastet wird. C. hatte die Idee, es von unten mit der grauen Mülltonne abzustützen, die ja nicht mehr genutzt wird. So bauten C. und der Prinz dem Pippilein einen Fluchtweg.
Prompt verschwand die kleine Fellnase am nächsten Abend wieder. Alles von vorn: EO-EO-Rufe aus dem Hof, ich an unserem Bad-Fenster (das in den Nachbarhof hinausgeht), dem Pippilein zurufend, es solle die Fluchtbrücke benutzen… ich hatte eine unruhige Nacht. Am nächsten Morgen rief ich zögernd C. nochmals an, die sich vor Lachen kaum einkriegte, weil mir das so peinlich war und ich mich dauernd entschuldigte. „Hab‘ dich doch nicht so, ich mach das wirklich gern!“ grinste sie und drückte mich. Pippi schien das mit der Brücke einfach nicht zu kapieren!
Aber: ich bin ja katholisch… und wir Katholiken haben den Vorteil, daß wir einen ganzen Stall voll freundlicher Heiliger haben, die man in den verschiedensten Situationen um Hilfe bitten kann 😃 Für Tiere ist – klar! – Franziskus von Assisi zuständig. Beim nächsten Pippi-Desaster setzte ich mich also mit dem heiligen Franzl in eine ruhige Ecke und bat ihn, dem Pippilein doch mal einen vorsichtigen Schubs auf das Brett hinauf zu geben. Denn der Prinz erklärte strikt, Pippi müsse das jetzt lernen, zumal ich C. bereits fünf Mal alarmiert hatte. Einmal war sogar W. gekommen, C.s Mann, der das Ganze ebenfalls zum Brüllen komisch fand. 😊
Jedenfalls: der heilige Franz scheint dem Pippikind die Lösung gut beigebracht zu haben. Sie verschwand noch einige Male, rief auch aus dem Hof um Hilfe, kam aber immer wieder allein zurück. Inzwischen ist das Ganze zur Routine geworden. Wir schauen regelmäßig nach, ob die Konstruktion noch steht.
(Gedanken am Rande: Es ist schade, daß die Sanierungskosten den Wert des Häuschens weit überschreiten würden, denn ich könnte es mir sehr gut als Praxis vorstellen. Aber das Haus hat seit Dekaden keinen Handwerker mehr gesehen, denn „es Klärche“ war für ihre strenge Sparsamkeit bekannt ;)… Das Haus hat keine Heizung, nur Öfen, und die Stromkabel…uaah, will ich gar nicht wissen…)
Jedenfalls kann unsere kleine schwarze Ausbrecherkönigin dank der „Fluchtbrücke“ jederzeit den Hof über das Schuppendach verlassen und hinten herum über die Wiesen wieder nach Hause kommen. Ich bin wirklich sehr froh über den Zusammenhalt und die Herzlichkeit der Nachbarn hier im Dorf!
Was für eine schöne Geschichte. Wie schade, dass das Häuschen so viel Einsatz verlangt, es wäre bestimmt ein ganz tolles Heim für eine kleine Familie oder ein Rückzugsort für nette Menschen.
Jetzt ist es halt Pippis Ausflugsort.
Nun ja, für eine Familie reicht das Häuschen wohl nicht, aber… man könnte sich schon etwas Nettes draus machen – es ist so schnuckelig!